von Dr. Birgitta Reddig-Korn
Mit diesem Lesetraining verbessern die Kinder ganz einfach und selbstständig ihre Leseflüssigkeit. Denn nur wer flüssig lesen kann, versteht den Text und entwickelt Freude am Lesen. Eine Methode, die auch zu Hause unkompliziert durchgeführt werden kann!

Exkurs: Lesetraining und Lautleseverfahren

Verschiedenste Studien zeigen, dass es immer mehr Schülerinnen und Schülern schwerfällt, altersangemessene Texte zu erlesen und zu verstehen.
Es gelingt ihnen kaum, Texte ohne Fehler zu lesen, sie in einer angemessenen Geschwindigkeit zu lesen und die zu lesenden Texte sinngemäß zu betonen.
Die auslösenden Schwierigkeiten liegen bereits auf der basalen Ebene des Leseprozesses, in dem z. B. Phonem-Graphem-Verbindungen (Verbindung zwischen gesprochenen und geschriebenen Lauten) nicht gesichert sind und der Sichtwortschatz sehr klein ist. Oft fehlt es auch an einem grundlegenden Wortschatz und dem entsprechenden Weltwissen.
Eine Möglichkeit diese Schwierigkeiten im schulischen Rahmen zu bearbeiten bieten die sogenannten Lautleseverfahren, hier im besonderen Fall die Lautlesetandems.
Diese können die Probleme vielleicht nicht ganz beheben, aber doch zumindest minimieren.
Lautleseverfahren legen den Schwerpunkt auf die Optimierung der Leseflüssigkeit. Diese umfasst die genaue Dekodierfähigkeit von Wörtern, die Automatisierung der Dekodierfähigkeit, eine angemessene schnelle Lesegeschwindigkeit sowie den Ausbau der Fähigkeit sinngemäß betont zu lesen. Das Verfahren ist unkompliziert umzusetzen.
Begleitetes Lautleseverfahren – Was ist das?
Eine Variante der Lautleseverfahren ist das sogenannte begleitete Lautleseverfahren, das vor allem auf die positive Wirkung eines kompetenteren Lesemodells setzt. Das begleitete Lautlesen meint ein Lesen im Tandem, das sich aus einem guten und einem schwachen Leser (Trainer und Sportler) zusammensetzt. Beide lesen gemeinsam einen zuvor extra ausgewählten, auf den schwachen Leser zugeschnittenen Text, gleichzeitig halblaut. Dabei übernimmt der kompetentere Leser die Rolle des Tutors (Trainer), d.h. er führt den schwächeren Leser (Sportler) angemessen durch den Text, indem er zum Beispiel dem Sportler eine angemessene Lesegeschwindigkeit demonstriert und auch aufzeigt, wie die Zeichensetzung stimmlich umgesetzt wird, wie Schlüsselwörter betont werden und welche Satzteile besonders hervorgehoben werden können.
Der Schwerpunkt des beschriebenen Verfahrens liegt somit auf der Steigerung der Leseflüssigkeit auf Satzebene, da insbesondere das Eintrainieren des phrasierten Lesens und die Steigerung der Lesegeschwindigkeit im Zentrum steht. Während der Lesehandlung kann das vom Tutor (Trainer) aufgezeigte Leseverhalten unmittelbar vom leseschwächeren Schüler übernommen und mental abgespeichert werden.
Der Lerneffekt dieses kooperativen Verfahrens liegt im Prinzip des „Lernens durch Beobachtung“, da der leseschwache Schüler sich unmittelbar am demonstrierten Leseverhalten des Tutors orientieren kann.
Während und nach dem Lesen kann sich das Tandem über das gemeinsam Gelesene, über die Verbesserungen aber auch über den Inhalt des Textes austauschen, sodass durch das Gespräch ein wechselseitiges Lehren und Lernen stattfinden und auch soziales Lernen angebahnt werden kann.
Insgesamt zielt die Form des begleitenden Lautlesens darauf ab, die Verantwortung des Trainers Schritt für Schritt auf den Sportler zu übertragen, in der Hoffnung, dass dieser immer eigenständiger und mit immer weniger Fehlern das Lautlesen durchführen kann.
Schüler und Schülerinnen, die also auf der hierarchieniedrigen Buchstaben-, Wort-, Satzebene (Prozessebene) Probleme mit dem Lesen haben und deren Leseflüssigkeit nur schwach ausgebildet ist, profitieren am meisten von diesem Verfahren.
Wie wird die Methode umgesetzt?
Das vereinfachte Verfahren ist im täglichen Unterrichtsgeschehen oder auch zu Hause gut durchzuführen. Trotzdem braucht es aber eine entsprechende Einweisung und eine geregelte, nachvollziehbare Vorgehensweise.
Die Tandems sind dann gewinnbringend, wenn sie über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden.
In der Vorbereitung auf dieses Verfahren ist es sinnvoll, folgende Schritte genau zu durchdenken bzw. einzuhalten:
To do:
- Beschäftigung mit den theoretischen Grundlagen, siehe z. B. Rosebrock/D. Nix, et.al.: Leseflüssigkeit fördern. Seelze 2011
- Vorauswahl der Schüler (Trainer und Sportler)
- Leseprotokoll des leseschwachen Schülers erstellen
- Tandems zusammenstellen
- Umfang der Fördereinheit bestimmen
- Texte/Tandem-Lesehefte bereitstellen
- Fördereinheit durchführen (Bsp.: drei Wochen, in jeder Deutschstunde ca. 15 Minuten)
- Erneut Leseprotokolle erstellen, um Fortschritte zu dokumentieren
- Rückmeldungen an die Tandems
Was sind Leseprotokolle? Wozu braucht man sie?
Lautleseprotokolle sind einfach zu handhabende diagnostische Instrumente, die eine relativ objektive und verlässliche Aussage über den jeweiligen Leistungsstand in Bezug auf die Leseflüssigkeit der jeweiligen Schülerinnen und Schüler machen. Um ein aussagekräftiges Lautleseprotokoll zu bekommen, muss die Schülerin oder der Schüler einen unbekannten Text laut vorlesen. Der im Vorfeld von der Lehrkraft ausgewählte Text sollte nicht zu einfach und zu kurz sein, sollte die Leserin oder den Leser aber auch nicht komplett überfordern. Der Lesetext wird im Vorfeld nicht gemeinsam besprochen oder auf eine andere Art und Weise vorentlastet, da sonst das Ergebnis verfälscht würde.
Im Lehrerkommentar zu den Lesetandems finden Sie fertige Lautleseprotokolltexte (für die Schuljahre 1/2 und 3/4) die sie vor und nach dem Training einsetzen können und die inhaltlich an die Geschichten in den Lesetandemheften angebunden sind, bzw. diese Geschichten vorbereiten.
Die Protokolltexte liegen im Lehrerkommentar sowohl als Version für die Kinder als auch als Version für die Lehrperson vor.
Während des ca. einminütigen Vorlesens läuft ein Aufnahmegerät mit, sodass der Lesevorgang akustisch dokumentiert wird. Im Nachhinein kann die Lehrkraft die Aufnahme mehrmals abhören und eine Transkription der Fehler, Verlesungen, Auslassungen etc. auf der Textvorlage erstellen.
Im besten Fall ist der Zeilenabstand mindestens 1,5, sodass im Text die Fehler beim Abhören der Aufnahme markiert werden können. Auch diese Vorlagen finden Sie im Lehrerheft, wie oben beschrieben.

Diese Markierungen geben Aufschluss über die Dekodiergenauigkeit und die Lesegeschwindigkeit. Liest ein Schüler etwa 100 WpM (Wörter per Minute) und macht nur wenige Fehler, die unkorrigiert bleiben und den Sinn des Textes nicht verändern, kann man von einer annähernd ausreichenden Leseflüssigkeit sprechen. Auch die Fähigkeit einen Text sinngemäß betont zu lesen kann anhand des Lautleseprotokolls gut belegt werden.
Was gilt es bei der Textauswahl zu beachten?
Die Texte in den Lesetandemheften fürs 1./2. und 3./4. Schuljahr um den Schulhund Karamello sind speziell auf dieses Verfahren ausgerichtet.
Bei der Entwicklung der Texte wurde der Fokus auf die Dimensionen der Textverständlichkeit und Lesbarkeit gelegt. Dazu zählen z. B. die sprachliche Einfachheit des Gesamttextes, die Gliederung desselben, die inhaltlichen Aspekte und die Motivation. Sie sind thematisch an den Interessen der Kinder der entsprechenden Altersgruppe gewählt. Tiere, vor allem Haustiere (und Schulhunde 😉 ) motivieren Kinder im Grundschulalter durchaus zum Lesen. Nora und Mattis, die begleitenden Kinderfiguren bieten durch ihr Verhalten, ihre Wünsche und Ideen Identifikationsmöglichkeiten für die Kinder und helfen, Lesemotivation aufzubauen.
Gute Texte für Lesetandems motivieren also, trainieren die Leseflüssigkeit und erweitern den Sichtwortschatz der Leserinnen und Leser. Dies gelingt, wenn neu zu erlesende Wörter häufiger im Text auftauchen, diese sich auch in Variation zeigen, sich Satzmuster wiederholen und der Text trotzdem ansprechend und unterhaltsam bleibt.

Beispielseite aus Tandemheft 1 (1./2. Schuljahr). Um den Sichtwortschatz der Leserinnen und Leser zu erweitern und damit die Leseflüssigkeit zu steigern, werden neu zu erlesende Wörter wiederholt. Auf der Beispielseite das Wort „Schuh“ und Variationen davon.
Die Anzahl der Wörter ist ein weiterer bedeutsamer Faktor bei der Texterstellung für Lesetrainingstexte. Texte mit einem Umfang von ca. 200-300 Wörtern eignen sich gut zum mehrfachen Lesen und überfordern den Leser hinsichtlich ihrer Länge nicht.
Eine weitere Möglichkeit Texte lesbarer zu machen, ist die formale Strukturierung eines Textes. In den Lesetandem (Karamello)-Texten wurden zusammenhängende Wortgruppen oder aber auch Sätze zu Sinneinheiten zusammengefügt und durch das Einfügen eines Zeilenumbruchs entsprechend voneinander.
Indem auch ganze Sinnabschnitte durch Absätze optisch gegliedert werden, wird der Lese- und Verstehensprozess weiterhin erleichtert. Eine Vereinfachung auf Satzebene wird erreicht, indem man komplexe Satzgefüge in mehrere einzelne, kurze Sätze unterteilt, die für den schwachen Leser besser zu erfassen sind.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, Wörter bzw. Wortgruppen, die keine sinntragenden Elemente für den Text darstellen nicht zu verwenden. Dadurch wird die durchschnittliche Satzlänge reduziert, wodurch die Komplexität eines Textes abnimmt. Diese Vorgehensweise entlastet leseschwache Kinder stark, da der Text nur „wichtige“ Informationen enthält und so der Gesamtzusammenhang eines Textes deutlich wird. Auch dies bieten die Lesetandemtexte um den Schulschnuffelhund Karamello.
Fazit
Das Lesen im Lesetandem ist eine kooperative Trainingsform, bei der durch gemeinsames wiederholtes lautes Lesen von angemessenen und gut ausgewählten Texten die Lesefähigkeit bei der Worterkennung, bei der Verbindung von Wortfolgen im Satzzusammenhang und bei der Herstellung von Relationen zwischen den einzelnen Sätzen geübt und somit die Leseflüssigkeit erhöht wird.
Die Lesetandems sind relativ einfach durchzuführen und effizient. Es zeigen sich bei den schwachen Schülerinnen und Schülern schnelle Verbesserungen in der Leseleistung. Die guten Leser und Leserinnen überwachen ihren eigenen Leseprozess, erfahren sich als selbstwirksam und übernehmen soziale Verantwortung.
Es spricht also alles dafür, die Tandems im Unterricht zu implementieren!
Sind Sie an weiteren Informationen zum theoretischen Hintergrund und an Einblicken in die Tandemhefte interessiert? Dann schauen Sie sich die Aufzeichnung des Webinars „Lesetandems – gemeinsam flüssig lesen lernen“ von der Autorin Frau Dr. Reddig-Korn an.
Karamello-Lesezeichen und Ausmalbilder herunterladen
Laden Sie hier gleich zwei Karamello-Lesezeichen zum selbst gestalten herunter, damit die Kinder noch motivierter ihre Texte lesen. Die schönen Ausmalbilder sorgen zusätzlich für Abwechslung.
© SCHUBI Lernmedien 2021. Sämtliche Beispiele und Illustrationen stammen aus der SCHUBI-Reihe Lesetandems – gemeinsam flüssig lesen lernen
Autorin: Dr. Birgitta Reddig-Korn, Illustrationen: Mareike Siepmann.
Wo sind bitte die Hördateien?
Hallo
Die Hördateien fürs 1. und 2. Schuljahr finden Sie hier:
https://www.westermann-schweiz.ch/landing/lesetandems-1-2
Die Hördateien fürs 3. und 4. Schuljahr können Sie hier abrufen:
https://www.westermann-schweiz.ch/landing/lesetandems-3-4
Die Passwörter sind im Umschlag des jeweiligen Hefts vermerkt.
Wir wünschen viel Freude mit den Karamello-Geschichten.
Guten Tag
Gibt es auch Texte zum Heft „Kopiervorlagen zu den Lesetandems“ 3./4. Schuljahr?
Hallo und danke für Ihre Nachricht.
Wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, dann ja 🙂 – auch für das 3./4. Schuljahr gibt es ein Tandem-Heft für Schülerinnen und Schülern mit verschiedenen Geschichten rund um den Hund Karamello.
Die Lesetandem-Reihe besteht aktuell aus folgenden Titeln:
– Tandem-Heft fürs 1./2. Schuljahr für Schülerinnen und Schüler sowie eine passende Kopiervorlagenmappe
– Tandem-Heft fürs 3./4. Schuljahr für Schülerinnen und Schüler sowie eine passende Kopiervorlagenmappe
– Zusätzlich gibt es einen Kommentar für Lehrkräfte als Leitfaden mit Praxistipps für den Unterricht
Weitere Titel rund um die Lesetandem-Reihe sind in Planung 🙂
Lesetandems mit Karamello ist eine gute Sache.
Ich komme leider nicht an die Hördateien, obwohl ich in meinen Kopiervorlagen den Code und den Link habe.
Bitte um Hilfe!