Von Michelle Hamel

Michelle Hamel ist Referendarin für die Fächer Englisch und Mathe und gehört zum Team von „Schule digital begreifen“. Die Plattform thematisiert den Einsatz digitaler Medien in der Schule uns stellt zahlreiche Informationen und Tipps dazu bereit – so auch im nachfolgenden Gastbeitrag.

Digitalisierung hält inzwischen in alle Bereiche unserer Gesellschaft Einzug. Auch vor dem Bildungswesen macht diese Entwicklung natürlich nicht Halt. Insbesondere in der Grundschule wird diese Entwicklung mit skeptischen Blicken betrachtet. Kinder sollten in diesem jungen Alter noch nicht vor einem Computer oder Tablet sitzen, heißt es. Auch prominente Stimmen wie der Gehirnforscher Manfred Spitzer warnen eindringlich vor Entwicklungsfolgen (vgl. Interview mit Manfred Spitzer in der Augsburger Allgemeinen, 2020). Kann Digitalisierung in der Grundschule überhaupt funktionieren? Wir sagen: Auf jeden Fall!

© contrastwerkstatt/AdobeStock

Warum überhaupt Digitalisierung in der Grundschule?

Soll die Digitalisierung nun auch in der Grundschule stattfinden, so gibt es aus manchen Ecken empörte Aufschreie. Die Kinder seien zu jung – so säßen auch schon Grundschülerinnen und -schüler nur noch vor einem Bildschirm. Mit dem Eintritt in die Grundschule gibt es doch bereits genügend neue Anforderungen an die Lernenden. Diese Sorgen haben durchaus ihre Berechtigung, werden Schülerinnen und Schüler ohnehin schon mit vielen neuen Herausforderungen konfrontiert. Die erste Schule ist für viele Kinder ein aufregender Schritt, der mit großen Veränderungen einhergeht. Auch gibt es auf einmal Noten für die eigenen Leistungen, die über die weitere schulische Laufbahn entscheiden. Ebenso auf Seiten der Lehrkräfte gibt es zahlreiche Aufgaben über die schlichte Stoffvermittlung hinaus, die es zu meistern gilt. Sozialkompetenz vermitteln ist nur ein wichtiges Beispiel. Und nun soll der Unterricht auch noch digital werden?

Wer so argumentiert, spricht zurecht die große Belastung der Schülerinnen und Schüler an, lässt aber einen zentralen Punkt außer Acht: Digitale Technik gehört bereits zum Alltag der Lernenden. Sollte dann nicht das Ziel des Unterrichts sein, die Schüler*innen auf ein Leben mit digitalen Medien vorzubereiten? Eine Lehrerin an einer Berliner Grundschule steht dem Wandel zum digitalen Unterricht in der Grundschule positiv gegenüber: “Für mich bedeutet Digitalisierung in der Grundschule längst nicht mehr nur Zukunftsmusik. In den jetzigen und folgenden jungen Generationen spielt Technik von klein auf eine Rolle. Warum also nicht auch schon in der Grundschule? Mit digitalen Tools kann ich meinen Unterricht ergänzen und gleichzeitig den Schülerinnen und Schülern die Nutzung der Technik nahebringen.” Den Umgang mit Medien zu erlernen ist heute unverzichtbar und sollte Teil einer allgemeinen Bildung sein. Medienkompetenz muss im Unterricht vermittelt werden, schon seit einigen Jahren ist sie auch fest im Rahmenlehrplan verankert. Warum also nicht lieber früher (und dafür kleinschrittiger) als später? Warum führen wir die Schülerinnen und Schüler nicht bereits frühzeitig an digitale Medien heran und vermitteln einen verantwortungsvollen und reflektierten Umgang? Und kann Medienkompetenz nicht nach dem Prinzip learning by doing am besten vermittelt werden?

Mit der Erkenntnis, dass Digitalisierung auch in der Grundschule ihre Berechtigung und Notwendigkeit hat, ist es allerdings nicht getan. Wie auch für andere Schultypen sollte im Fokus stehen, dass digitale Medien und Anwendungen gezielt und altersgerecht für Schülerinnen und Schüler eingesetzt werden – und vor allem zu einem pädagogischen oder didaktischen Zweck. Welche Möglichkeiten es gibt, digitale Tools in der Grundschule einzusetzen, wollen wir im Folgenden genauer beleuchten.

 

Wie kann ich Digitalisierung in der Grundschule für mich und meine Klasse nutzen?

Vorteil Nr. 1: Differenzierung

Insbesondere in der Grundschule sind sehr heterogene Lerngruppen keine Seltenheit. Neben verschiedenen Ausgangsvoraussetzungen, mit denen Schülerinnen und Schüler an ihre erste Schule kommen, finden sich die Lernenden auch unterschiedlich schnell in den Schulalltag ein. Hinzu kommt an einigen Schulen jahrgangsübergreifendes Lernen. Hier allen Ansprüchen gerecht zu werden, kann für Lehrkräfte schnell eine große Herausforderung darstellen. An dieser Stelle kann der gezielte Einsatz von digitalen Tools bei der Individualisierung der Lernprozesse unterstützen und damit Lernen in heterogenen Lerngruppen vereinfachen. Lehrkräfte bieten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, in ihrem eigenen Tempo oder an selbst gewählten Themen zu arbeiten oder Defizitbereiche unter Anleitung gezielt zu verbessern. Häufig können die Lernfortschritte nachvollzogen und diese Erkenntnisse wiederum für den nachfolgenden Unterricht verwendet werden. Aber nicht nur für den Einsatz im Unterricht sind digitale Tools eine Hilfestellung, auch für das Lernen zu Hause sind sie gut geeignet. Eine Möglichkeit ist die Verwendung als eine etwas andere Hausaufgabe, da sie das Lernen in den digitalen Raum überführen und teilweise mit spielerischen Ansätzen verknüpfen. In Zeiten des Distanzlernens zeigen digitale Lernumgebungen ihre Vorteile. Sie bieten den Lernenden die Chance, das Lernen und Üben nicht nur mithilfe von Arbeitsblättern und Aufgaben im Buch oder Arbeitsheften durchzuführen. Stattdessen lernen sie innerhalb eines interaktiven, ansprechend gestalteten Tools, bei dem sie außerdem sofort Feedback erhalten, welche Bereiche gut gelungen sind bzw. noch verstärkt geübt werden müssen.

Im Tool-Finder von Schule digital begreifen können Sie aus einer großen Auswahl an digitalen Angeboten die für Sie passenden Anwendungen herausfiltern.

Ein Beispiel ist die digitale Lernumgebung Alfons. Das Tool bietet Inhalte für die Fächer Deutsch und Mathe in den Klassenstufen 1–4 sowie Englisch in Klasse 3–4. Die interaktiven Aufgaben sind abwechslungsreich gestaltet und methodisch sowie didaktisch geprüft. Lehrkräfte teilen den Lernenden konkrete Aufgabenpakete zu, die dank der Variation von leichten zu schwierigen Aufgaben individuell auf den jeweiligen Lernstand zugeschnitten werden können. Die Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler können sie anschließend über ein Dashboard nachverfolgen. Die Schülerinnen und Schüler werden zusätzlich durch eine optisch ansprechende Oberfläche, die Gestaltung des Lernraums als Villa und audiovisuelles Feedback vom Geist Alfons motiviert. Haben die Lernenden eine Lektion erfolgreich abgeschlossen, erhalten sie im Gegenzug sogenannte „Heller“, die sie für Einrichtungsgegenstände ihrer virtuellen Villa eintauschen können. Wann diese Funktion zur Verfügung steht, können Lehrkräfte festlegen, sodass zum Beispiel während des Unterrichts das Spielen nicht möglich ist. Die Alfons Online-Lernwelt gibt es als Anwendung im Browser oder als App für Apple und Android, für Lizenzen werden verschiedene Varianten angeboten.

Alfons Online-Lernwelt bietet Lernspaß in einer virtuellen Villa

 

Vorteil Nr. 2: Kreative Ideen umsetzen

Unterricht kann auf viele Arten kreativ gestaltet werden. Von verschiedenen Sozialformen über spannendes Material bis hin zu Aufgaben, die die Kreativität der Schülerinnen und Schüler ansprechen. Digitale Tools bieten dafür innovative Ansätze.

Eine kreative Variante sind Erklärvideos. Durch die einfache Bedienbarkeit der notwendigen Technik können diese nicht nur von Lehrkräften sondern auch von Schülerinnen und Schülern selbst erstellt werden. Mit Erklärvideos können Lehrkräfte asynchrones Lernen, relevant nicht nur in Zeiten des Distanzlernens, zugeschnitten auf den Lernstand der Klasse erleichtern und auch den Unterricht durch entsprechende Sequenzen auflockern. Auf der anderen Seite können auch Schülerinnen und Schüler zu einem konkreten Thema ein Erklärvideo erstellen, in dem sie ein Phänomen genauer beleuchten: Schülerin A filmt Schüler B dabei, wie dieser eine Rechtschreibregel erklärt. Das erfordert im Voraus eine kleinschrittige Auseinandersetzung mit dem Inhalt und der Technik und bietet sich vor allem für langfristige Projekte an. Dennoch motiviert diese angeleitete Videoproduktion die Lernenden und fördert problemorientiert das komplexe Denken. Wie ein Erklärvideo überhaupt erstellt werden kann? In diesem Artikel zeigen wir mögliche Ansätze auf.

 

Erklärvideos können von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern umgesetzt werden

Schülerinnen und Schüler tauschen sich gern über spannende Themen in ihrem Alltag aus, warum also eine Diskussion oder Unterhaltung nicht als Podcast aufnehmen? Auch hier sind der Kreativität hinsichtlich Themenwahl und Umsetzung keine Grenzen gesetzt. Dafür bedarf es lediglich eines Geräts, das Sprache aufzeichnen kann. Soll die Aufnahme noch professioneller bearbeitet werden, gibt es entsprechende digitale Tools, die aber aufgrund der komplizierten Nutzung nicht unbedingt für Schülerinnen und Schüler in der Grundschule geeignet sind. Beispiele dafür sind GarageBand auf Apple-Geräten oder Audacity, das auf allen Betriebssystemen verfügbar ist.

Eine weitere Möglichkeit ist das Einlesen von Geschichten. Hörbücher erfreuen sich, egal in welcher Altersklasse, einer großen Beliebtheit und bieten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, spannenden Geschichten zu lauschen. Dabei kann das Einsprechen der Geschichte ganz einfach sein, indem einfach nur über die Aufnahmefunktion auf dem Smartphone, Tablet oder PC (sofern vorhanden) das Gesagte mitgeschnitten wird. Soll neben der auditiven auch die visuelle Komponente zum Tragen kommen, kann das Ganze auch als Video aufgenommen und dabei die Seiten (und Bilder) des Buches gezeigt werden. Liegt das Buch als eBook vor, kann über eine Aufzeichnung des Bildschirms mit gleichzeitiger Vertonung (Peer-)Lernenden die Geschichte nähergebracht werden.

 

Vorteil Nr. 3: Unterricht abwechslungsreich gestalten

Das Abfragen von Wissen erfolgt häufig über die direkte Ansprache einer konkreten Schülerin bzw. eines konkreten Schülers oder über das Schreiben von Tests und Klassenarbeiten. Um diesen Prozess abwechslungsreicher und damit spannender für die Lernenden zu gestalten, kann ein spielerischer Charakter eingebaut werden, was auch digital realisiert werden kann. Auch Umfragen können so mit den entsprechenden digitalen Tools durchgeführt werden, wenn es beispielsweise um die Gestaltung des nächsten Kuchenbasars oder Wandertages gehen.

Eine Auswahl an verschiedenen Tools zum Gestalten von Umfragen sind auf dieser Seite von Schule Digital Begreifen zusammengefasst.

 

Fazit

Digitalisierung in der Grundschule ist längst ein relevantes Thema in der Gegenwart. Auch bei den jüngsten Schülerinnen und Schülern sind digitale Medien allgegenwärtig. Sie sollten daher im Unterrichtsgeschehen besprochen und verwendet werden. Dabei gilt wie immer, dass es nicht nur darauf ankommt, welche technischen Voraussetzungen gegeben sind oder wie viele Geräte pro Klasse zur Verfügung stehen. Vielmehr ist entscheidend, wie die Lehrkraft die digitalen Gegebenheiten pädagogisch sinnvoll im Unterricht nutzt. Im Fokus sollten nach wie vor die Lernvoraussetzungen sowie das Ziel der Unterrichtsstunde stehen. Werden diese Aspekte berücksichtigt, können digitale Ansätze und Tools den Unterricht bereits in der Grundschule hervorragend ergänzen. Einige Möglichkeiten, die es dafür gibt, konnten wir in diesem Artikel aufzeigen.

Wie setzen Sie die Digitalisierung an der Grundschule um?

Tipp: Im Zuge der Digitalisierung im Unterricht spielt der Datenschutz stets eine wichtige Rolle. Die Konformität mit DSGVO-Richtlinien muss stets gesichert sein. Meistens findet man auf der Seite des entsprechenden Tools oder des jeweiligen Bundeslandes Informationen dazu. Weitere Informationen zum Thema Datenschutz gibt es in diesem Artikel von Schule Digital Begreifen.

Dieser Artikel ist auch in umfassenderer Form auf dem Blog von Schule Digital Begreifen erschienen. Für mehr Informationen finden Sie Schule Digital Begreifen auch auf Facebook, Instagram und Twitter.

Abwechslungsreiche Ideen für digitale Unterrichtskonzepte für die Kleinen finden Sie in unserer Beitragsreihe Online-Bärentreffen – Videounterricht in der Vorschule

  

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